Warum es kompliziert ist

„Bitte schreiben Sie eine halbe Seite und erklären dort, warum es relevant ist.“

Inzwischen frage ich mich, was der sogenannte Qualitätsjournalistende zwischen Relotius und Sauga überhaupt noch vom Grundgesetz wissen muss.
Es geht dabei nicht um jeden einzelnen Artikel. Aber es geht um ein Verständnis der Maschinerie der Grundrechte, die installiert wird.

Als ich zum ersten Mal geschrieben habe: „Die Abgabenordnung hat den Artikel 6 abgeschaltet“, sollte das provozieren, das heißt eine unmittelbare Reaktion hervorrufen.
Ich habe mir Journalisten vorgestellt, die produktiv denken, die sich fragen, was das Wort „abschalten“ überhaupt bedeuten kann. Wenn es nicht um Abgasreinigung geht, sondern um ein Grundrecht.
Journalisten, die so eine Behauptung nicht „nicht einmal ignorieren“, sondern die dem Satz aktiv widersprechen: Das heißt ihn prüfen. 
Es gibt sie nicht.

Hier also ein weiterer Versuch das aufzudröseln.
Eine Erklärung, warum es kompliziert ist. 
Weil Familie komplex ist. Weil Staat Familie simplifiziert.
Und dann die Kosten der von ihm hervorgerufenen Unfälle als Gewinn einstreicht. 

Ich nenne einfach ein paar Kontexte, in denen die Abgabenordnung ihre verheerende Wirkung gegen Familie erzeugt.

Kontext 1: Das Grundgesetz

Die Abgabenordnung hat das Grundrecht auf „besonderen Schutz der Familie“ abgeschaltet.
Abschalten heißt: Die Ecksteine der Familie: Vater, Mutter, oder alleinerziehend werden auf 180 Seiten der Abgabenordnung nicht genannt. Eine etwaige Klausel im Gesetzestext zu deren „besonderen Schutz“ ist damit von vornherein unmöglich. 
Das Argument ist formal und unmittelbare Eigenschaft vom Gesetzestext.

Grundrecht nr 6 ist ähnlich Menschenrecht nr 16 ist relevant: So etwas darf nicht abgeschaltet werden. Da hat Journalist nicht mehr über „Relevanz“ zu entscheiden.

Die Abgabenordnung ist ein Gesetz zur Vollstreckung gegen Steuerpflichtige.
Sie will nur eintreiben.  Im Zuge ihrer Vollstreckung darf sie massiv in Grundrechte eingreifen: In Post und Fernmeldegeheimnis, in die Unverletzlichkeit der Wohnung.
Das ist der Rahmen, in dem sich Ermessens- und Entscheidungshandeln ihrer bevollmächtigten Personen  bewegt.
Es ist der Steuerstaat, der auf die lückenlose Erfassung noch der kleinsten Vorgänge, die mit Umsatz verbunden sind, aus ist.
Es ist der Moralstaat, der die kleinste Differenz in den Büchern als Verbrechen ahnden wird.
Es ist der Digitalstaat, der über dem kleinsten Händler auf dem Markt die elektronische Überwachung verhängt. (Spiegel Nr 16/2019, S43 „Kassenkampf“)
Moral, Digital und Steuer sind längst in eine einzige staatliche Schwärze kollabiert, aus der kein Entkommen ist. Das ist die Abgabenordnung.

Familienleistung von Mutter, von Vater, findet jedoch jenseits der bereits versteuerten Erwerbstätigkeit als eine Zusatzleistung im Privatraum statt.
Der Kern der Familie ist gemeinsam vollzogene Freiheit.

Indem die Kindergeldkasse auf das Sanktionsrepertoire der Abgabenordnung zurückgreift, um Familie zu vernichten, macht sie diesen Privatraum zu ihrem Vollstreckungsraum.
Das ist der Umschlag in den Totalstaat. Absolut ideologiefrei.

Kontext 1a:  Artikel 1.3 GG
Das Abschalten des Grundrechts funktioniert, indem die Abgabenordnung das Gebot der Bindung aus Artikel 1.3 GG nicht ausführt. Unterschlagung einer zugesagten Vertragsleistung. Auf breitester Ebene. Stellen Sie sich das mal im Geschäftsleben vor. Da würde JournalistIn aber Skandal schreien.
Einfach als Gesetzgeber darauf spekulieren, dass Tussimutter, dass biederer Vater es nicht merken. Das Menschenbild der Volksbescheißer in ihrer Wertegemeinschaft. Einfacher geht es nicht.

Kontext 1b:  Artikel 19 GG
Nach Artikel 19 GG können Grundrechte „eingeschränkt“ werden. Artikel 6 könnte also auch „eingeschränkt sein“. Theoretisch.
Die Einschränkung  muss jedoch an Ort und Stelle dokumentiert werden.
Dementsprechend nennt die Abgabenordnung auch alle Grundrechte, die sie einschränkt, in § 413 Einschränkung von Grundrechten: Das sind Nr. 2 (Unversehrtheit und Freiheit der Person), Nr. 10 (Post- und Fernmeldegeheimnis) und Nr. 13 (Unverletzlichkeit der Wohnung).
Dem gemäß ist der Artikel 6 nicht eingeschränkt sondern das Grundrecht auf Familienschutz wäre uneingeschränkt wirksam. 
Abgabenordnung hat aber den Artikel 6 nicht „eingeschränkt“, sondern ausgeschaltet und damit in „seinem Wesensgehalt“ angetastet. Das aber ist verboten (Artikel 19.2 GG). Scheiß drauf.

Kontext 2: Das Grundrecht Nr. 6
Sieht aus, wie andere Grundrechte. 
Wirkt aber lächerlich, im Vergleich dazu.
Es sind ja keine stolzen Meinungsritter, die geschützt werden.
Es geht auch nicht um das Recht, jeden beliebigen Ort der Welt aufsuchen zu dürfen.
Es geht um keines der Selbstverwirklichungsrechte des isolierten Einzelmenschen.
Es geht um den Schutz meiner Person, sofern ich kein Einzelmensch bin. Es geht um mein Gender als verwitweter, alleinsorgender Vater von 5 Kindern.
Es geht um mein Recht, den Schwerpunkt meines Lebens außerhalb meiner Einzelheit in der miteinandergelebten Sorge zu leben. Das ist eine andere Sorte Privatheit, die hier unantastbar geschützt werden muss.
Es geht um mein Recht auch, mich in dieser Bindung nicht als Vertragspartner zu definieren, sondern in einem von meiner Natur aus Außer mir Sein zu verstehen.
Es geht um schäbige Frauen mit Kindern, mit lächerlichen Ansichten und vielen Fehlern. Bestrafbarkeit ist ihr Wesen. Sich zu entschuldigen ihre ständige Pflicht.
Das heißt Nicht-Relevanz.
Es geht um Frauen und Gedöns.

Es geht von vornherein um den Teil der Gesellschaft, deren Personalität nicht in ihrer zusätzlich eingebrachten Leistung anerkannt wird, sondern die gerade wegen ihrer Bindung an betriebsfremde Zwecke Personen geringerer Relevanz sind.
Mutter bekommt als Gegenstand von „besonderen Schutz und Fürsorge“ (6.4) die Züge eines Menschen, die nicht für sich handeln kann. Sie wird zur Tussimutter.
Und den Vater, als Vater, als Versorger von Familie, den gibt es gar nicht, nicht im Grundgesetz.
Das ist Diskriminierung durch Nicht-Nennung. Unterschlagung des Geschlechts. Zumindest für Feministinnen könnte das evident sein.

Der Anspruch auf Vaterschutz, dass Vater in seiner wirtschaftlichen Anstrengung zur Versorgung für 5 Kinder nicht von Staats wegen abgeschossen werden darf, und damit die Kinder mit ihm, der kann gegen Artikel 6 gar nicht direkt formuliert werden.
Staat und Gesellschaft handeln gegen Vater als wär‘s ein einzelner Privatmensch, ein Mann.
Familienkasse stellt dem Vater von fünf Kindern 8 Tage-Fristen, die von Kindern, und dann deren ehemaligen Arbeitgebern einzulösen sind, und schießt ihn ab.
Die im Artikel 6 enthaltene grundgesetzliche Diskriminierung des Vaters ist als Ent-Rechtung wirksam gegen das Leben von 6 Menschen in all seinem Zusammenhang.
Artikel 6 muss tatsächlich erst hergestellt werden.

Kontext 3: Rechtlosigkeit: Der Weg der Familie von „Bürger“ zum Insassen des Lagers
3a: Rechtlos innerhalb der Behörde
Im Beschwerdeweg innerhalb der Behörde werden Einspruch und Dienstaufsichtsbeschwerde unterschlagen. Ein halbes Jahr ohne irgendeine Behandlung; Beschleunigung im Verfahren erst, nachdem ich den Senat der Stadt Hamburg angeschrieben habe. Dann hatte es der Behördenleiter Bombor auf seinem Tisch. Da kann keiner in dieser Firma sagen er/sie hätte es nicht gewusst.

3b: Rechtlos ausserhalb der Behörde: Die iudikativ-exekutive Kohärenz.
Nach der Klage vor dem Finanzgericht wird durch Nötigung zur Güteverhandlung jeder Rechtsfortschritt durch gerichtliches Urteil ausgeschlossen. Das ist die fugenlose Zusammenarbeit von Judikative im Dienst der Exekutive.

(Journalistische Anforderung: Er/sie als bekennender Verfassungspatriot sollte wissen, was mit „Gewaltenteilung“ gemeint ist.  Was das Wort „unabhängig“ bedeutet. Und das Wort „Rechtsstaat“.)

 

Kontext 4: Familie
Staat ist sauber und Familie ist das Schmutzige am Staat. Auch deshalb ist sie „privat“.
Staat ist Gleichmacher: Er asphaltiert Mensch wie Natur.
Familie ist spezifisch.
Kern der familiären Bindung sind Privilegien: Sexuelle Treue zwischen Mann und Frau. Wirtschaftliche Sorge für Frau und Kinder. Privilegierung in Qualität und Ausmaß der Kommunikation.   
Dieses Bindungsverhalten wird mit Argwohn betrachtet, als elterliche „Sorge“ rationalisiert, geduldet oder auch befohlen, als „Dankbarkeit“ gegen alte Eltern ebenfalls befohlen, als eine freie Beziehung ist die Nähe unter Angehörigen dagegen dubios, egoistisch, verstößt gegen die Standards einer globalen Menschenliebe.

Familie ist noch im Gelingen verdächtig, dass das ungerecht ist von ihr, irgendwie.
Schutz hieße Familienverhalten als produktive Leistung einer Privatheit gegenüber Gesellschaft eindeutig anzuerkennen.


Kontext 4a:  Familie ist schmutzig
Die Sauberkeit der Wertegemeinschaft beruht darauf, dass sie mit dem Schmutzkübel Familie nicht zu tun hat.

Kontext 4b:  Familie hat Erinnerung.
Dort, wo der Staatsbürger makellos unter der sonnigen Gnade der späten Geburt gerade eben noch etwas „Verantwortung“ verspürt, da hat Familie unvermeidbar ihre jeweils eigene Erinnerungserzählungen, mit der sie sich in den Kontext der gemeinsamen Geschichte stellt, so oder so, so und so. Auch die alles spaltende Schuld kann Volk konstituieren, gegenüber bloßer Bevölkerung.
  
Kontext 4c:  Familie ist betrügerisch.
Ein Cumex Journalist will die Struktur eines Betrugs erklären: Das erste, was ihm einfällt, ist dieser Vergleich:
„Das ist wie Familie, die sich Kindergeld mehrfach auszahlen lässt“ . Keine Gruppe sonst, die für solche Verdächtigung einfach so zur Verfügung steht.

Kontext 4d:  Familie ist fehlerhaft:
„Wenn ich ein fehlerfreies Leben hätte führen wollen, dann hätte ich nicht geheiratet.
Dann hätte ich auch nicht, zusammen  mit meiner Frau, 5 Kinder aufgezogen.“ (Entdeckung, Seite 5).

Familie erbringt ihre lowlevel Leistung in einem Bereich, der scheinbar privat geführt wird, als „privat“ auch deklariert ist, der gesellschaftlich hochproduktiv ist, aber zugleich mit unendlichen Forderungen der Bürokratie besetzt wird.
Fristsetzung zur Herbeiführung des Abschusses ist eine reine Staatshandlung zur Unterjochung der Insassen. Von Schutz keine Rede.


Kontext 4e:  Familie ist eine andere Risikoklasse.
Alleinversorger von 5 ist erst recht ein spezifisches Hochrisiko.
Artikel 6 verspricht, dass Exekutive dieses Risiko der Leistenden mittragen wird.
Artikel 6 bedeutet garantiert nicht:
Das Risiko durch Fristsetzung zu erhöhen, und von da aus den Abschuss auszuführen. Aber die Abgabenordnung hatte ja Artikel 6 abgeschaltet. Scheiß drauf.

19050103 Ekkehard von Guenther