Schreiben, was Text ist
 
Immer wenn ich aufräumen will, fang ich mit den Wörtern an.

Eine klitzekleine Meinungsverschiedenheit mit Dirk Kurbjuweit,
anlässlich seiner Verfassungsbegeisterung im Spiegel Nr 19 vom 4.5.2019.


 

 

Am 06.05.19, 11:34 schrieb "Ekkehard von Guenther" <evg@keinkindergeld.de>:

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

zur Zeit wird wieder Verfassung gefeiert, von den VerfassungspatriotInnen. Hat ja Geburtstag.

Der wichtigste Artikel der Verfassung dürfte nr 5 sein, weil der gehört

ja den Meinungsmachern.

Deshalb passen Journalisten auf den auch ganz besonders auf.

Sie schreiben Ihre Meinung und ich darf sie lesen.

Eine Zensur findet nicht statt.

 

Für den Journalisten hört die Verfassung vermutlich auch mit Artikel 5 auf.

Da kommt nichts Wesentliches mehr.

Höchstens Frauen und Gedöns. Ach ja, das wäre die nr 6.

 

Journalist weiß, dass die Meinungsfreiheit gefährdet ist, die der

schreibenden Zunft.

Überall auf der Welt. Besonders auch in Österreich. Wehret den Anfängen.

Verteidigung ist im Prinzip einfach:

Man äußert sich, kassiert Sanktion, reklamiert den Übergriff. Öffentlich.

Rechtsstaat rettet.

 

Kann Journalist sich vorstellen, dass eine andere Grundrechtsfreiheit

ganz anders gefährdet ist?

Die Freiheit des Gedöns? Der Familie? Kann man bei denen überhaupt von

Freiheit sprechen?

 

Obzwar da ein besonderes Schutzversprechen existiert, nr 6, falls Sie's

vergessen haben sollten.

 

Kann Journalist sich vorstellen, dass Schutz von Familienfreiheit ganz

anders geht, als Schutz von Meinungsfreiheit?

Und dass der Übergriff des Staates ganz anders funktioniert als gegen

Meinungsritter?

Oder Meinungsritterinnen?

 

Weil Familie bloß leben tut.

Man könnte aber auch sagen:

Nicht bloß Meinen tut, sondern fortlaufend aus Meinen Entscheidungen

macht, Tätigkeit macht, gemeinsamen Alltag macht.

Bloß Meinen ist zuwenig in Familie. Vom Meinen wird die nicht satt.

Weil Familie Institution der materialen Verantwortung ist.

Die Leistung von Mutter und Vater muß in ihrer Integrität erhalten

werden, um der Kinder willen.

Logisch, dass Verfassung der Familie "besonderen Schutz" verspricht.

 

Können Sie sich vorstellen, dass der Gesetzgeber, nur eine Etage direkt

unterm Grundgesetz, den besonderen Schutz der Familie abschaltet?

Einfach abschaltet? Können Sie sich das vorstellen?

Und was das für Familie bedeutet?

 

Sie sind ja VerfassungspatriotIn. Bekennen sich zu den Werten.

Ich bin's nicht. Ich bin Vater von 5 Menschen.

Und die Wertegemeinschaft hat die 5 Kinder und ihren Vater verraten.

 

Als VerfassungspatriotIn können Sie natürlich Verfassung.

Ungefähr so gut, wie gläubiger Christ Bibel kann.

Wir freuen uns jedenfalls, wenn Sie zwei oder drei Sätze zitieren können.

 

Verfassung "können" heißt was anderes.

Nicht alle Artikel wissen, nicht einmal den kleinen Grundrechtskatalog.

Aber wissen: Wie er funktioniert.

Kein Glaubender sein, sondern Techniker.

Auch nicht Jurist als oberster Interpret des hohen Willens der

Verfassung, sondern nur als niedriger Konsument.

Als Endverbraucher von Verfassung.  Der will nur seine Beteiligung - am

eigenen Leben.

Der untersucht, wie aus Verfassung ein Schredder gemacht wird. Weil er

nicht drumrum kommt.

 

Wenn ich Sie fragen würde, nach dem wichtigsten Artikel der Verfassung,

was würden Sie sagen?

Meine Antwort wäre 1.3.

Was halten Sie davon?

 

Alles Weitere auf:
www.keinKindergeld.de

 

Zentraler Text dann:

http://www.keinkindergeld.de/EntdeckungDerFamilieDankbarkeit.pdf

 

Ach ja, noch ne Frage zum Grundrecht nr 5:

Gibt es da eigentlich auch so etwas wie eine Pflicht zum Öffentlich machen?

Habe das Gefühl, auch die vierte Gewalt bleibt mir da was schuldig.

Und das passt zum Andern. Passt viel zu gut zum Andern. Lautlos.

 

Mit freundlichen Grüßen

Ekkehard von Guenther

ekkehard@vonGuenther.de

 

evg@keinKindergeld.de

 

 

 

 

 

 Sehr geehrter Herr von Guenther,

 

danke für Ihren Leserbrief, dessen Form mir durchaus gefällt. Inhaltlich sehe ich das nicht so wie Sie. Die Familie halte ich in diesem Land nicht für gefährdet oder bedroht. Darüber kann man sicherlich streiten. Ein Recht zur Veröffentlichung sehe ich hingegen absolut nicht.

 

1.3. ist wunderbar. Aber 1.1. ist unübertrefflich.

 

 

Herzlich

 

Dirk Kurbjuweit

 

 

DER SPIEGEL

 

 

 

Soweit der Meinungsaustausch.
Darauf  erfolgt eine Präzisierung von mir, die bleibt ohne weitere Antwort.


Sehr geehrter Herr Kurbjuweit,
danke für Ihre Antwort.

1.3, dennoch, ich bleib dabei:

1.1 ist Utopie, ist Versprechen. Ist vielleicht Drohung: Immer noch nicht genug Staat.

1.3 dagegen ist die nachprüfbare Unterwerfung des Staates unter seine Pflicht: Meine Rechte.

1.3 zwingt dem Entscheider die Dokumentation auf.
Wo immer Gesetzesvorhaben Grundrecht tangiert,
da muß Gesetz einen Schritt zurücktreten.
Oder aber seinen Eingriff ausdrücklich feststellen.
Artikel 19.1 und 19.2 verordnet das, am Ende des Grundrechtekatalogs:
"Das Grundrecht auf x wird insofern eingeschränkt", heißt die Formel dafür.


Mit 1.3 kann ich Feststellung machen: Ob Gesetz gegen Grundrecht gebunden ist. Das erst macht Grundrecht einklagbar.

Mit 1.3 hab ich Lesen von Verfassung gelernt.
Nach meinem Abschuss durch Familienkasse. Gemäß § 110 Abgabenordnung war das.

Mit freundlichem Gruß
Ekkehard von Guenther
evg@keinKindergeld.de

Nachträglich eingefügt: „Drohung“ und „dagegen“ (190610)

Soviel vom Unterschied zwischen Text und Wörtern.
„Wunderbar“  gegenüber
„nachprüfbare Unterwerfung des Staates unter seine Pflicht: Meine Rechte“

Lesen lernen heißt: Auf den Unterschied bestehen.
Unterscheidung ist die Substanz des Konkreten.

19051011  evg

190603 der zweite Text blieb ohne Antwort; ich ergänze hier noch zu den Punkten
Die „Familie halte ich in diesem Land nicht für gefährdet oder bedroht“ und „Recht zur Veröffentlichung“

Die sogenannte Lage der Familie ist 80/20. Bestenfalls.
Wenn man die nicht geborenen Kinder mitrechnet, weil ein Kätzchen billiger ist als ein Kind, oder weil mit Kind die Rente ausfällt, dann eher 70/30.

Ob das „Gefährdung oder Bedrohung“ ist, darüber kann man „sicherlich“ streiten. Ich für meinen Teil halte es für eine Obzönität.

Aber: Ich hatte gar nicht zur „Lage“ geschrieben.


Ich hatte von einem Vorgang gesprochen. „Abschalten“ habe ich den genannt.
Ein Gesetz, das essentiellen Zugriff auf Familienmittel hat, hat den besonderen Schutz der Familie aus Artikel 6, den es nach Artikel 1.3 zu binden hätte, definitiv nicht gebunden.
Es hat mir mein Grundrecht unterschlagen.
Die Unterschlagung des Grundrechts, das ist eine Handlung.
Es geht nicht um „das“ dauernde Elend der armen Leute.
Es geht um die Technologie zur Herbeiführung des Elends.

Wie sagte Innenminister Seehofer vor einigen Tagen so schön:
„Man muß die Gesetze kompliziert machen.“
Seine Meinung über die Qualität der Legislative in der Normenkontrolle ist absolut auch die
meine.

Ich erwarte von einem professionellen Verfassungspatrioten, dass er Verfassung verteidigt. Dass er andere Wörter hat als „wunderbar“ oder „unübertrefflich“.

Dass er Verfassung verteidigt:

Entweder:
Durch Erinnerung an das „unmittelbar geltende Recht“ der Verfassung gegen ein Gesetz, das mir mein Grundrecht unterschlagen will.
Das heißt, dass er öffentlich Skandal macht.

Oder:
Dass er gegen denjenigen Menschen vorgeht, der solch häßliche Dinge über die Unwirklichkeit der Verfassung unter der Herrschaft der Abgabenordnung sagt.
Das bin ich.

So ein bißchen Fake sollte doch widerlegbar sein.
Das kann der Spiegel.
Ich habe kürzlich auf Spon gelesen, dass drei Millionen Aliens, oder waren es Flüchtlinge, in einem unterirdischen Gängesystem unter, ich glaub, es war Stuttgart, einquartiert sind. Dann schreiben Sie gefühlte drei Seiten, mit denen Sie glasklar widerlegen, und zeigen, warum das unmöglich ist.
Das ist seriöseer Umgang einer seriöösen Presse mit Fake.

Intelligenz qualifiziert sich in der Wahl ihrer Widersacher.
Seien Sie doch so lieb, und widerlegen Sie mir meinen Fake:
„Die Abgabenordnung hat den Artikel 6 des Grundgesetzes abgeschaltet.“

Glauben Sie mir: Ich bin intelligent. Als Widersacher.
Sie können nur gewinnen.
Sogar auch, wenn Sie sich erfolglos daran abarbeiten. Dann haben Sie nämlich Skandal.
Das Brot des Journalisten.
 

„Die Abgabenordnung hat den Artikel 6 abgeschaltet.“

Die Plausibilität in fünf Minuten habe ich geliefert. Siehe die Startseite www.keinKindergeld.de

Die  Prüfung wird verweigert.
Das ist die Ur-Erfahrung des brechtschen Galileo.
Bisher hielt ich Neugier für eine garantierte Grundqualität des Journalisten.
Ein Irrtum mehr.
Ich kann sie kaum noch zählen, meine Irrtümer.

 

„Das Recht zur Veröffentlichung sehe ich hingegen absolut nicht.“

Auch das hatte ich so nicht geschrieben. Ich habe nicht von „meinem“ Recht gesprochen.
Ich hatte nach so etwas wie einer „Pflicht zum Öffentlich machen“ geschrieben.
So im Wortfeld von: „vierte Gewalt“  oder: „Sturmgeschütz der Demokratie“.


Also: Ergibt sich aus der Meinungsfreiheit des Artikels 5 eine Pflicht für die Institutionen der Meinung, bestimmte Sachen zur Öffentlichkeit  zu bringen?
Habe ich als Konsument von Meinung ein Recht darauf, Skandal zu erfahren?
Verfassungsbruch per Gesetz, im Bereich der Grundrechte, im allgemeinsten LowLevel Bereich, gegen die schwächsten Akteure:
Das halte ich für journalistische Pflichtleistung.
Ich habe ein passives Recht auf Meinungsfreiheit.
Das ist die Erwartung, dass der Skandal den Weg an die Öffentlichkeit findet.    

 


Oder ist Meinungswirtschaft Privatwirtschaft?
Mit dem Recht, nach Belieben NICHT zu schreiben?

Ihre Antwort war eindeutig, Herr Kurbjuweit. Wollen Sie die wirklich aufrecht erhalten?

Meine Antwort ist auch hier eine andere:
Der Bruch des von der Verfassung garantierten Menschenrechts durch ein tiefer gestelltes Gesetz ist eine Obszönität im hellen Tageslicht.
Ich halte es für ein unmögliches Verhalten des Journalisten,
für eine unglaubliche Heuchelei der Moral besitzenden Öffentlichkeit,
dem nicht nachzugehen.

Skandal am Grundgesetz ist Aufzuklären.
Aber Meinungswirtschaft kennt Skandal nur mit Prominentennamen: Ronaldo, oder Ibiza.
Komisch:
Bei der Sache von mir wären doch auch ein paar Namen dabei. Logisch. Ehrenwerte Namen. Sehr ehrenwerte Namen. HighLevel. Aber so weit sehen Sie nicht.
Alles, was Sie sehen ist ein häßlicher alter Mann. Eine müde geschwätzige Figur. Aufdringlich. Und drumherum nur müde Mütter. Die reichen höchstens für ne Zwischenprüfung an der Journalistenschule.

Wo ist da die Relevanz, fragen Sie mich.
Wie recht Sie doch haben, Herr Kurbjuweit.
Spröde Nachricht können Sie nicht.

„Die Abgabenordnung hat den Artikel 6 abgeschaltet.“

Mit freundlichen Grüßen
Ekkehard von Guenther

evg@keinKindergeld.de

190610 evg 190611

190621: Die Logik der Induktion.

bei der Induktion geht es, grob gesagt,  um das Recht im Argument von mir auf andere und allgemeine Verhältnisse zu schließen.

Inhaltlich sehe ich das nicht so wie Sie. Die Familie halte ich in diesem Land nicht für gefährdet oder bedroht. Darüber kann man sicherlich streiten.

Sehen Sie, das ist eine Meinung. Sie ist souverän, braucht und will keine Antwort. Sie ist unqualifiziert. „nicht gefährdet oder bedroht“ vergleicht von vornherein mit Gefährdung oder Bedrohung von Meinungsfreiheit.
Meine Äußerung ging dahin, dass die Gefährdung des Grundrechts auf Familienschutz auf andere Mechanismen zurückgeht als die Gefährdung von Meinungsfreiheit. Das ist eine qualifizierte Meinung.

 

Die Meinung des Herrn K ist auch unbegründet. Ich muß annehmen, dass Herr Kurbjuweit einfach von sich auf andere schließt. Herrn K. geht es mit Familie (?)  gut, und allen Familien, die er so kennt, geht es auch gut.
Deshalb geht es „der“ Familie in „diesem“ Staat gut.
Das ist Induktion. Der Schluss von meiner Befindlichkeit in meinem Milieu auf den Zustand der Welt.
Diese Schlussfolgerung ist billig und nahezu ohne logisches Recht.
Bei Leuten mit Besitzanteilen im Meinungsmarkt stellt das eine Verzerrung des öffentlichen Wissens dar.

Nebenbei: Die Lage „der“ Familie in „diesem“ Land liegt bei
80/20.
Dieser Wert ist relativ unstrittig.
Über die Be-Wertung kann man „streiten“.
Irgend eine Zahl wird immer im unteren Teil der Relation stehen.
Die Zahl 20 halte ich für meinen Teil für schlechthin obszön.

Meine Aussage zur Grundrechtslage der Familie ist ebenfalls eine Verallgemeinerung durch Induktion.
Ich als alleinsorgender Vater von 5 Kindern habe eine Erfahrung gemacht und verallgemeinere diese Erfahrung. Das ist Induktion. Schluss von einem einzelnen Fall auf eine Allgemeinheit.
Aber es ist nicht „Milieu“, das ich verallgemeinere.

Ich habe kürzlich in einer Kneipe eine Restfrau kennengelernt, der das Jugendamt ihre vierjährige Tochter weggenommen hat. Ausnahme.
Einzelfall. Nicht relevant. Selberschuldwahrscheinlich.
Sie fragte ein paar Mal, wieviele Zimmer meine Wohnung hat. Aber ich brauche immer eine extra Nacht, um eins und eins zusammenzuzählen.

Den anderen Familien, die ich so kenne, nicht viele sind das, und denen, die ich so sehe, auf dem Markt oder beim Vorbeigehen an der Schule, scheint es gut zu gehen: Sie haben entspannte Gegenwart, und geordnete Erwartungen an ihre planbare Zukunft. So wünschen wir uns das.

Der Alarm, den ich schlage, hat eine andere Basis.
Er beruht auf einem konkreten persönlichen Schlag gegen mich. Das ist einzeln.
Der Schlag wurde im objektiven Verhalten einer Behörde mit allgemeinster Kompetenz ausgeführt. Familienkasse gegen Familie.

Meine Induktion ist deshalb eine echte und legitime Verallgemeinerung:
Was die mit mir gemacht haben, das haben die auch mit anderen gemacht.
Und sie machen es jeden Tag. Es ist Gegenwart.
Denn sie haben ein Gesetz hinter sich, das den Artikel 6 abgeschaltet hat.

Deshalb schlage ich Alarm.

"Ja, dies war nur ein Ort", erkennt Elwood, als er beschließt, an die Öffentlichkeit zu gehen, "aber wenn es ihn gab, dann gab es auch Hunderte mehr, Hunderte Nickels (...), überall im Land verteilt wie Fabriken der Qualen."

Das ist eine qualifizierte Induktion. Mit einer unmittelbaren sozialen Implikation. Das heißt: Verallgemeinern.

Das Zitat stammt aus einer Buchbesprechung auf Spiegel online vom 19.6.19
https://www.spiegel.de/kultur/literatur/die-nickel-boys-von-colson-whitehead-folter-im-weissen-haus-a-1272476.html


Doch, Herr Kurbjuweit, öffentliche Meinung ist nicht Ihre Privatsache.
Über Ihren Anspruch auf Allgemeinheit in Ihrer Meinung sollten Sie Rechenschaft ablegen können.
Über Ihre Kriterien bei Zu- oder Aberkennung von „Relevanz“ ebenfalls.

Ein Recht zur Veröffentlichung sehe ich hingegen absolut nicht.

 

Das ist zu wenig, Herr Kurbjuweit.

 

Mit freundlichen Grüßen
Ekkehard von Guenther

 


Zum Thema der Verallgemeinerung auch: http://www.keinkindergeld.de/161010Grillparty.htm

190621 evg